Alex ist Geschäftsführer einer englischsprachigen Werbeagentur in Stuttgart. Als Brite ist er natürlich prädestiniert für ein Interview über Tee. Hat er diesen schon quasi mit der Muttermilch aufgesogen erlebt er seit 1996 in Deutschland so manch seltsame Tee-Geschichten. Zum Beispiel mit Handwerkern, denen er selbstverständlich kein Bier, sondern eine Tasse „echten englischen Tees“ anbietet. Besonders interessant fand ich die diversen Vorurteile der Deutschen gegenüber britischen Tee-Gewohnheiten und die Art und Weise, wie Alex auf Anleitung seines Vaters das Teegeschirr benutzt. Sie sehen schon: Nicht nur Chinesen haben eine sehr interessante Tee-Geschichte. Viel Spaß beim Lesen!

 

Bitte stellen Sie sich kurz vor.
Ich bin Alex, Brite. Ich wohne seit 1996 in Deutschland. Bin kein typischer Engländer und immer noch mit der Frage beschäftigt, was ein typischer Engländer überhaupt ist. Ich bin stolz auf meine Familie und von einem Plan besessen, irgendwann über den Atlantik zu segeln.

Was bedeutet Tee für Sie?
Tee ist meine Rettung am Anfang des Tages. Ich habe Tee, wie die meisten Engländer, als
Teenager entdeckt, aber ich weiß noch, dass meine Oma in Leeds immer eine Kanne auf dem Herd hatte, als ich ganz klein war. Manchmal stand der Tee stundenlang auf der heißen Herdplatte, komplett überzogen. Von unten gewärmt. Mein Vater sagte, das sei eine Schande. Aber das mochte sie so. Wir scherzten, dass der Tee so stark war, dass er irgendwann durch die Kanne brennen werde.

Er war buchstäblich Schwarztee: Auf der Innenseite der Kanne war eine harte dunkle Schicht. Ich lernte von ihr, dass man eine Kanne NIE mit Seife/Spülmittel auswaschen darf. Daran halte ich mich immer noch. Nur draußen darf eine Kanne gewaschen werden. Innen wird sie nur ausgespült. In eine Schwarzteekanne kommt auch nie eine andere Sorte.

Interview Brite Tee, Tee-Liebhaber

© Privat

Heute ist Tee meistens nur morgens eine Erfrischung für mich. Ich trinke zwei bis drei Tassen pro Tag. Am Wochenende ist meine schöne China Tea Pot immer im Einsatz. Da trinke ich oft die ganze Kanne aus. Nach 4 Uhr nachmittags trinke ich grundsätzlich keinen Tee, sonst kann ich nicht richtig schlafen. „Tee” ist übrigens für die meisten Briten Schwarztee. An Kräutertee, Tisanes und solche Exoten denken wir nicht. Die ist irgendwie nur für „andere” da.

Welchen Tee trinken Sie am Liebsten?
Standard „supermarket breakfast tea”, den meine „Lieferanten” (sprich Bekannten) aus Englandreisen mitbringen: Sainsbury’s Red Label. Die Teebeutel (rund, ohne Schnur) werden immer in einem luftdichten Behälter aufbewahrt.

Haben Sie ein spezielles Teeritual? Wenn ja, wie geht es?
Mein Vater brachte mir einige Sachen bei, daran halte ich mich so gut ich kann.
1. Das Wasser muss nicht kochen sondern KOCHEND sein.
2. Die Kanne zum Kettle (Wasserkocher) bringen, nicht umgekehrt – sonst kühlt das Wasser ab. 3. Die Kanne/Teetasse mit einem Schluck kochendes Wasser vorwärmen, dann ausschütten – sonst geht Wärme verloren.
4. Wenn Tee in der Kanne gemacht wird, einen Tee-Cosy verwenden (sieht aus wie eine Mütze).

Interview Brite Tee, Tee-Liebhaber

© Privat

Was ich dazu gelernt habe: Nicht zu lange stehen lassen. Eine Kerze unter Kanne: niemals!
Tee ist keine Feuerzangenbohle. Ich lasse meinen Tee nie länger als fünf Minuten ziehen, sonst „kippt” er. Wenn ich Teeblätter (also keinen Beuteltee) verwende, wird umgerührt, sobald der Tee gezogen hat. Dann überzieht der Tee nicht (glaube ich, oder so wurde es mir gesagt!). Ich benutze nur selten eine Untertasse. Ich habe gelernt, große Tassen zu verwenden (einen „Mug”, wie wir das in England nennen).
Oft höre ich, „Es ist 5 Uhr. Ist es nicht Zeit für eine Tasse Tee?” Haha.

Eine Klischee über Engländer, dass nicht stimmt. Hier verstehen viele offensichtlich die englischen Sitten nicht. Im Norden von England (und anderen Regionen) heißt „Tea Time” nämlich soviel wir Abendbrot. Wir vier Kinder hatten um 5 o’clock also schon „tea time”, aber das war eine Mahlzeit und hatte nichts mit Tee zu tun. Vielleicht haben andere Nationen die Verwendung dieses Ausdrucks falsch verstanden und denken, wir trinken Tee. Meine Kinder wachsen zweisprachig auf und hören jeden Tag, dass „Tea Time” ist – bisher haben sie abends auf dem Tisch nie eine Tasse Tee gesehen und erwarten es auch nicht!

Außerdem gilt für die meisten Engländer: Tee kann man immer trinken. Die Menge: ein Beutel/Teelöffel pro Person, noch einen für die Kanne. Also für vier Personen wären das fünf Teelöffel Tee, oder fünf Teebeutel, obwohl ich den Tee oft viel schwächer trinke.

Interview Brite Tee, Tee-Liebhaber

© Privat

Welche Rolle spielt Tee in Ihrem Freundeskreis?
Ich werde natürlich oft als Engländer veräppelt – auch weil ich keinen Kaffee trinke.
Der Koffein in Kaffee macht mich verrückt. Innerhalb von Sekunden hänge ich wie eine hechelnde Fledermaus an der Decke. Wenn die Johns (meine zwei besten Kumpel) vorbeikommen, biete ich immer eine Tasse Tee an. Wir nehmen aber oft die deutschen Teetrinker auf den Arm. „Der Tee in Deutschland ist die Rache für Kaffee in England”, sagen wir dann. In der Tat hatte ich meine schlimmsten Tee-Erlebnisse in diesem Land. Das erschreckendste war ein Arbeitgeber, der die gleichen alten Kannen für Tee und Kaffee wieder verwendete. Das Wasser für den Tee war warm, nicht einmal heiß. Da ich der EINZIGE Teetrinker war (unter 30 Managern), waren die Teebeutel natürlich Jahre alt. Ich wusste nicht, dass es möglich war, einen so schlechten Tee zu kochen. Er war tatsächlich schlimmer als englischer Pulverkaffee (und dazu auch noch kalt!) Am Schluss traute ich mich nicht mehr, mich über den Tee zu beschweren, denn ich wurde deshalb nur ausgelacht.

Welche Rolle spielt/spielte Tee in Ihrer Familie (in Ihrer Kindheit und heute?)
Siehe oben. Bei meinem Vater wird die alte Teekanne immer noch mehrmals täglich benutzt. Er trinkt auch bis spät in den Abend, was ich nicht kann. Das Wasser zu Hause hat immer einen besonderen Geschmack. In England ist, glaube ich, mehr Chlor im Trinkwasser „Designerwasser” aus der Flasche (wie er das nennt) sei ein Marketingtrick, man benutzt es nicht für Tee. Das Trinkwasser ist ja gesund. Das Wasser kann in England manchmal sehr hart sein. Das schmeckt man auch und der Tee zuhause ist deswegen etwas ganz Besonders! Aber mein Vater tut mehr Tee in die Kanne als ich und deswegen müssen wir inzwischen getrennte Teekannen benutzen – er hat mehrere. Mit der Zeit hat er sich an unsere verschiedenen Geschmäcker gewöhnt.

Als Kind bin ich mit sehr großen Werbekampagnen für Teemarken aufgewachsen. Tee spielt in der Tat eine wichtige Rolle im englischen Kopf. Wenn man in England Besuch hat und keine Tasse Tee anbietet, ist man ein schlechter Gastgeber. Diese Gewohnheit werde ich in Deutschland schwer los. Die Handwerker schauen manchmal ein bisschen verwirrt, freuen sich aber immer über die „echte” Tasse englischen Tee.

Sind Sie ein Teeei-, Papierfilter oder Direktaufgusstyp?
Teeei – nur selten. Wenn dann, einfach direkt aufgießen. Papierfilter – wir bitte?!?! Kennt kein Engländer. Wir reden hier über Tee oder? Filter assoziieren wir nur mit Kaffee. Ein Direktaufguss hat immer den besten Geschmack. Wichtig: eine echte Teekanne hat ein Loch im Deckel. Wie oft habe ich so genannte Teeläden mit Kannen gesehen, die kein Loch im Deckel hatten! Der Tee muss oben „atmen” können. Wenn man Tee ohne Beutel verwendet, kommt die frische Luft durch das Loch, der Tee zieht besser. Und es ist einfacher zu gießen, weil kein Vakuum entsteht. Nach einer bestimmten Zeit rührt man dann um und die Teeblätter sinken. Wenn man richtig gießt, bleiben sie dann unten. Dann muss man nicht ein mal einen Sieb benutzen. Aber was erzähle ich – fast alle Engländer benutzen heutzutage Teebeutel. Ich auch. Der Tee kommt immer in Frischefolie verpackt und wird relativ bald benutzt, sonst schmeckt er nicht. Der Teebehälter MUSS luftdicht sein. Ein englischer Teebeutel hat mehr Inhalt und ich merke, dass der Tee selbst viel stärker ist. Wir mögen auch diese Schnüre und Tabs nicht, das riecht nach Marketingtricks – und ist unnötig teuer. Der Teebeutel wird ganz in die Kanne geworfen und mit dem Teelöffel herausgefischt.

Welchen Tee trinken Sie zum Frühstück?
Breakfast tea!

Welches ist Ihr Sonntagstee?
Ich mache da keinen Unterschied.

Wann haben Sie Ihren ersten Tee selbst gekauft und welcher war das?
Als Studi, in York. Das war bestimmt eine Eigenmarke. Wenn nicht, war es Yorkshire Tea, da er dort in der Gegend gemacht wird, (Harrogate, North Yorkshire). Mann, war Yorkshire Tea damals schlecht. Inzwischen ist er der Inbegriff für englischen Tee.

Zucker, Honig, Sahne oder Purist?
Niemals Zucker, Honig oder Sahne. Stilbruch. Nur Vollfettmilch! Wir können streiten, ob pro oder postlaktal (ob sie vor oder nach dem Tee in die Tasse kommt). Ich mag den Tee mit Milch nachher, also postlaktal, aber ich trinke für viele Geschmäcker mit zu viel Milch. Wenn ich einen feinen Tee trinke, dann immer in einer kleineren Tasse, ohne Alles.

 

Zubereitung von Schwarztee:

Zu unseren „very British“ Teesorten

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