Es trug sich vor langer Zeit zu, noch vor der Ära der Fünf Herrscher, die jener der berühmten Drei Dynastien voranging. Es war, frei herausgesagt, das Goldene Zeitalter der Drei Erhabenen. Eben war die Erde erschaffen worden, und es herrschten Götter als Kaiser. Der letzte dieser Drei Erhabenen hieß Shen Nung. Er trug den Kopf eines Ochsen auf einem Menschenkörper, was allein schon ein augenfälliges Zeichen seiner Göttlichkeit gewesen wäre, und er war bestrebt, das Los der Erdenbürger zu verbessern.
Also erfand er den Ackerbau mit den fünf ertragreichsten Getreidearten: Weizen, Reis, Hirse, Sorghum und Soja. Jahr für Jahr säte er selbst vor versammeltem Volk aus. Die Freude darüber war groß. Dennoch war Shen Nung nicht restlos zufrieden; für die Feldarbeit musste man gesund und bei Kräften sein. Also erfand der Kaiser Heilkunst und Medizin und befahl in seiner großen Fürsorge seinen Untertanen, Wasser vor dem Trinken abzukochen, denn man muss wissen, dass zur Zeit der Erhabenen Wasser das einzige Getränk war.
Eines Tages, es war sehr heiß, lagerte Shen Nung im Schatten eines Strauchs. Er war durstig und kochte, dem neuen Brauche folgend, ein wenig Wasser ab. Plötzlich erhob sich eine erfrischende Brise und ließ die Blätter des Strauches freudig erschauern. Der Erhabene fühlte sich, der Eingebung des Augenblicks folgend, zu ein paar Versen gedrängt. Da lösten sich drei Blätter vom Strauch, wirbelten durch die Luft und fielen in das kochende Wasser. Shen Nung wartete ein wenig und führte dann, neugierig geworden, dass aus dem Zufall geborene Getränk an die Lippen. Nie noch hatte er solches Labsal gekostet! Der wilde, namenlose Strauch, in dessen Schatten der letzte der Erhabenen zu lagern geruht hatte, wurde so zum Teestrauch.
Sabine Yi; Jacques Jumeau-Lafond; Michel Walsh: Lob dem Himmelstau oder Brevier vom Tee, Wien 1984.
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